Dienstag, 15. November 2011

City Walks Brooklyn: Cobble Hill & Boerum Hill











Mein Spaziergang führt mich nach Boerum Hill und Cobble Hill, zwei "ineinanderlaufende" historische Bezirke nicht weit von Park Slope, und zwar einfach deshalb, weil der Bus mich direkt vom Kindergarten aus dorthin bringt. Vorläufig wage ich noch keine Ausflüge, bei denen ich erstmal längere Zeit mit viel Umsteigerei in der U-Bahn sitze, denn ich weiß ja nicht, wie es mit R. laufen wird, und ob ich nicht vielleicht doch plötzlich zurück muss.

Schon im Bus spüre ich sie, die "große Freiheit". Es ist unfassbar entspannend, einfach nur da zu sitzen und aus dem Fenster zu gucken, ohne sich darum zu kümmern, dass Kind Nr. 1 sich festhält, und ohne Kind Nr.2 davon abzuhalten, sich von meinem Schoß zu winden und/oder den Umsitzenden mit ihrem Protestgeheul einen mittleren Ohrenschaden zuzufügen.

Es ist warm, und je mehr Kraft die Sonne bekommt, desto mehr staune ich über die Temperaturen. Den bei meinen Kids perfektionierten Zwiebellook habe ich bei mir selbst nicht ganz so gut drauf und bin eindeutig zu warm angezogen.

Ich verbringe vier höchst vergnügliche Stunden. Beide Bezirke bieten wunderschön restaurierte uralte Häuser auf, und zwar nicht nur vereinzelt, sondern fast alle Straßenzüge bestehen quasi ausschließlich aus Brownstones, die zwischen 1850-1900 gebaut wurden. Kirchen, viele viele Kirchen, deren Besichtigung teilweise anempfohlen wird. In einer hat sogar Tiffany die Glasfenster designt. Nicht uninteressant, aber an diesem perfekten Herbsttag zieht mich nichts hinein, ein anderes Mal. Da Brooklyn auch die "City of Churches" genannt wird, wird sich hierzu noch Gelegenheit finden. In manchen Häusern lebten berühmte Persönlichkeiten, unter anderem Jennie Churchill, die Mutter von Winston, und der Schriftsteller Thomas Wolfe (von dem ich noch nie etwas gelesen habe). In vielen anderen leben heutzutage Künstler, was man teilweise auch sehen kann- so hat einer sein halbes Haus zu einem Mosaik-Gesamtkunstwerk verarbeitet.
Ich mache Halt in einem Buchladen, den mein Reiseführer mir empfiehlt anzusehen, und der tatsächlich wunder-wunderschön ist, mit Stuck an der Decke, uralten Holzregalen und einer interessanten Vermarktungsstrategie: ein ganzes Regal mit "Staff Picks", also Buchempfehlungen der Angestellten (mit handgeschriebenen Zettelchen, warum dieses oder jenes Buch empfohlen wird). Hatte ich so noch nie gesehen und fand ich clever, sowohl unter Vermarktungs- als auch HR- Gesichtspunkten. Ein halbes Stündchen später und OHNE neues Buch (brav!!!) gehe ich weiter und schaue mir die Smith Street an, die von jedermann hier als das Restaurantmekka hochgelobt wird. Tsja, zum Essen habe ich keine Zeit und bin sicher, es gibt dolle Restaurants, aber die Straße selbst ist eine furchtbare Enttäuschung, denn sie ist ziemlich hässlich. Wahrscheinlich muss man abends her kommen und ein Restaurant besuchen, um die Qualität dieser Straße schätzen zu lernen.
Ich bewundere letzte Reste von noch nicht abgeschmückter Halloween Deko, perfekte Torten im Schaufenster, romantische kleine Gärtchen und immer wieder schöne alte Häuser. Die Stimmung ist hier irgendwie anders als in Park Slope, gesetzter, viel ruhiger. Diverse Katzen dösen in der Sonne, einige Straßen haben etwas richtig Verschlafenes, Dörfliches. Aus dem Nichts taucht ab und an an der nächsten Straßenecke ein Deli oder ein Café auf, was erfreulich ist, wenn man ziemlich ziellos durch die Gegend läuft und zu warm angezogen ist. Ich mache nochmal Halt in einem riesengroßen "Paper Store" - das ist ja auch wieder etwas, worin die Amis ganz, ganz groß sind. Kleine Kladden, tolles Geschenkpapier, natürlich auch schon erste Weihnachtsdeko. Ich würde gerne sagen, dass ich auch diesen Laden ohne Einkaufstasche verlasse, aber das wäre glatt gelogen.
Zu guter Letzt schaue ich mir noch zwei Straßenzüge mit ehemaligen Arbeitersiedlungen an. Diese wurden in den 1870er Jahren von einem im Reiseführer unbenannten Geschäftsmann gebaut, nachdem er aus London wiederkam und von den Arbeitervierteln dort so geschockt war, dass er es hier besser machen wollte. Das hat doch was von Little Lord Fauntleroy! Und meine Güte, diese Häuser sind umwerfend schön. Heute muss man totsicher Millionär sein, um dort eine Wohnung erwerben zu können.

Mein Fazit: sehr schöner Spaziergang, allerdings eher für Leute, die (deutlich) länger in NY sind als nur einige Tage und Extrazeit erübrigen können. Besondere Highlights gibt es eigentlich nicht, außer vielleicht die letztgenannten Ex-Arbeitersiedlungen, die sind schon der Knaller.

P.S.: R. hat nur eine halbe Stunde Mittagsschlaf gehalten und war entsprechend nöckelig, als ich sie abgeholt habe. Ansonsten hat aber alles allerbestens geklappt, insbesondere das Essen ("die hat ja einen tollen Appetit"). Ach was.

2 Kommentare:

  1. Hört sich toll an und ich bin ganz neidisch und wäre gerne mit Dir durch die weniger bekannten Viertel NY´s gebummelt. Find ich oftmals viel spannender als die üblichen Touri-Highlights.

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  2. Das stimmt und ich bin sehr dankbar, dass ich die Zeit "geschenkt" bekommen habe. Zeit ist so wertvoll- nicht wahr? :-))

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