Mittwoch, 26. September 2012

Schulgedöns

Kaum ist das Söhnchen ein offizielles Vorschulkind, geht es auch schon los mit dem Schulalarm. Schulanmeldung, Tag der offenen Tür, Elternabende - ich bin ja einerseits froh, wieder hier und damit im Zentrum des Geschehens (was die Schullaufbahn des Sohnes betrifft) zu sein. Andererseits überfordert das Ganze mich auch ein bisschen, bzw. stresst mich, macht mir Sorgen.

Ende September geboren, ist Söhnchen idiotischer Weise ein sog. "Muss-Kind" im Gegensatz zu den "Kann-Kindern", das sind die ab 1. Oktober geborenen. Tolle Terminologie. Was das bedeutet ist, dass nach dem in NRW geltenden Schulrecht Söhnchen nächstes Jahr mit nicht einmal sechs Jahren eingeschult werden muss. Nun könnte man natürlich sagen, prima, wenn man keine Wahl hat, braucht man sich auch gar keine Gedanken zu machen.

Aber die Gedanken mache ich mir dennoch. Klar nützt es gar nichts, sich darüber zu ärgern, dass er nicht zwei Wochen später geboren wurde, aber ich denke eben, dass ich ihn ohne größeres Zögern ein weiteres Jahr im Kindergarten lassen würde, wenn ich (unproblematisch) könnte. Er ist einfach nach wie vor ein Kind, dass sich (körperlich) nicht gut behaupten kann und motorisch hinter vielen anderen hinterherhinkt. Dazu ist er in neuen Situationen zurückhaltend, teilweise ängstlich. Ich weiß, alles Lamentieren nützt nichts, er muss eingeschult werden, so ist das eben.

Aber dann geht es natürlich weiter- welche Schule soll es denn nun sein? Es bietet sich zunächst einmal die hiesige "Dorf"schule an, auf die eben gesammelt quasi der ganze Kindergartenjahrgang gehen wird, als Alternative eine Montessori Schule mit gutem Ruf im Nachbarort. Die Montessori Schule klingt für mich, was das Konzept betrifft, überzeugend. Altersgemischte Lerngruppen, tolle Räumlichkeiten und eben eine konsequente Umsetzung der Montessori Pädagogik. "Lernen im eigenen Tempo" ist so ein Schlagwort, was für mich erst einmal verlockend klingt. In jedem Gespräch, in jedem  Artikel zu dem Thema kommt aber auch der Hinweis, dass diese Pädagogik nicht unbedingt für jedes Kind geeignet sei und man selber wissen müsse, ob es für das eigene Kind das Richtige sei. Und da tun sich dann schon die ersten Fragezeichen in meinem Kopf auf. Ich habe so meine Zweifel, ob Söhnchen in der Freiarbeit sehr erfolgreich wäre. Ich weiß, dass er sich schnell ablenken lässt und noch keinen besonderen Ehrgeiz entwickelt, sich Dinge alleine anzueignen. Ich weiß, dass wenn man ihn aussuchen lässt, was er tun möchte, er sich wahrscheinlich lange Zeit nur mit einer Sache beschäftigen mag - die ihm eben am meisten Spaß macht. Ich weiß aber nicht, ob das alterstypisch ist, oder eine Charakterfrage. Ich weiß, dass er keinerlei Probleme mit Anleitungen/Arbeitsaufträgen hat, auch still sitzen und Zuhören machen ihm keine Probleme. Ich weiß, dass ihm das leicht "verschulte" Kindergartensystem in NY auf eine Weise gut getan hat, er hat - auf Anweisung- Dinge gelernt, und dann auch gerne gelernt, die er sich alleine nie ausgesucht hätte - basteln, Buchstaben schreiben etc.

Und so ist der Grund für meine Zweifel und mein Hin- und Hergerissensein wahrscheinlich nur eine diffuse Angst vor dem bösen "normalen" Schulsystem, vor großen Klassen und Leistungsdruck.

Es gibt natürlich mehrere Möglichkeiten, wie man etwas Klarheit in die ganze Angelegenheit bringen kann. Gespräche mit anderen Müttern gehören nicht unbedingt dazu, jedenfalls nicht immer. Wenn ich noch einmal höre: "Oh je, von September ist er, ooooh, da wird er es erstmal schwer haben", flippe ich aus. Weder die überzeugten Montessori- noch die Regelschulbefürworter können mir "helfen", denn, ja, am Ende muss man diese Entscheidung für sein Kind selbst treffen.

Aber es gibt natürlich erstens mal die Kindergärtnerinnen, auf die ich große Stücke halte, und mit denen, die die "Vorschulgruppe", die sich zweimal wöchentlich trifft, betreuen, werde ich mich die Tage mal zusammen setzen und um ihre Einschätzung bitten. Sollten sie, wovon ich aber nicht ausgehe, ernsthafte Zweifel haben, dass Söhnchen nächstes Jahr die Schule meistern kann, würde ich mich nicht scheuen, alle Wege zu gehen, die es braucht, um ihn, obwohl er eigentlich schulpflichtig ist, doch noch zurückstellen zu lassen. Zweitens habe ich bei der Kinderärztin nun Ergotherapie für L. verschrieben bekommen. Die Ärztin teilte meine Einschätzung, dass man ihm motorisch noch ein bisschen auf die Sprünge helfen kann, als sie den recht krömmelig gehüpften Hampelmann und das ebenso krömmelig gemalte Haus des kleinen Kerls begutachtete. Meine Sorgenfalten wurden immer tiefer, als die Ergotante beim zweiten Blick auf das Kind meinte, ja, gut, dass sie da sind (generell liegen mir die Optimismus verbreitenden Ärzte und Therapeuten mehr, Sorgen /schlechtes Gewissen mache ich mir selbst schon genug).

Das ist die eine Seite. Die andere Seite, die Schulen selbst, werde ich mir ebenfalls in den kommenden Tagen etwas genauer angucken, es gibt wie gesagt Elternabende und Tage der offenen Tür.

Ich sehe ganz im Allgemeinen einen riesigen Vorteil der hiesigen Grundschule, und das ist der soziale Aspekt. Die Kinder gehen in Laufgemeinschaften zu Fuß zur Schule, und wenn sie sich nachmittags verabreden möchten, können auch Besuche meistens zu Fuß/per Fahrrad erledigt werden. Nicht zu unterschätzen auch der Bonus, dass ich mit einer guten Handvoll der Mamas der zukünftigen Klassenkameraden befreundet und zwei weiteren Handvoll bekannt bin- auch ein solches Netzwerk ist Gold wert. Söhnchen würde gemeinsam mit einer im wohl bekannten Gruppe von Kindern die Schule beginnen, das wäre sicher ein leichterer Start, als mit lauter neuen Gesichtern eingeschult zu werden.

Ich weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass die Grundschule wundervoll, aber auch grausam sein kann und dass das neben den Kindern, die dort zur Schule gehen, vor allem von einem abhängt: dem Lehrer/der Lehrerin. Von einem braungelockten Lehrerinnenengel in der ersten und zweiten Klasse, in den ich ernsthaft verliebt war, geriet ich, als wir umzogen, in der dritten Klasse an eine Lehrerin, die genau so hart war wie ihre betonierte Lady-Di Frisur. Das war erstmal schlimm, und ich war eine Weile sehr unglücklich und sehr ungerne in der Schule. Ich habe mich durchgekämpft, aber ich bin nicht sicher, ob Söhnchen an einer solchen Frau H. nicht zerbrechen würde.

Die Lehrerin kann man sich aber nun einmal nicht aussuchen. Weder an der einen, noch an der anderen Schule. Ein bisschen Glück gehört wahrscheinlich auch in der Schullaufbahn dazu. Und dann komme ich in meinem Gedankenkarussel auch immer wieder dahin zurück, dass ich unsicher bin, ob ich meinem Sohn nicht auch einfach zu wenig zutraue. Ich sehe natürlich seine Fähigkeiten und Talente und ja, die hat er. Hänge ich mich zu sehr an seinen Defiziten auf? Gibt es nicht tausende Kinder, die so jung eingeschult werden, und das wunderbar meistern? Bremse ich ihn zu sehr aus? Er wird ja auch nicht morgen eingeschult, in einem Jahr passiert ja noch so viel. Wenn ich bedenke, was für eine Entwicklung zwischen vier und fünf beim Söhnchen statt gefunden hat...

Ich bin froh, dass der beste Ehemann nächste Woche für ein paar Tage da sein wird. Der hat naturgemäß einen etwas andern Blick auf die Dinge und meistens eine wohltuend sachliche Ader.

Ach herrjeh. Ich glaube, mit dem Beginn der Schule wird das Elternsein nicht unbedingt einfacher. Der Ernst des Lebens beginnt so langsam...

8 Kommentare:

  1. Achje....wem sagst Du das. Hab die Tage dazu noch ein Post geschrieben. Hänge gerade auch ständig auf irgendwelchen Infoabenden oder Tag der offenen Türen rum. Mir ist schon ganz schlecht. Bei uns kommt noch das OGS-Problem und der einmal die Woche wechselnde Wohnort hinzu. Ja, der Ernst des Lebens....von mir aus könnte er noch ein paar Jahre oder gar für immer warten.

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    1. Was ist denn das OGS -Problem? Ich glaube, bei uns heißt das OGATA (Offener Ganztageszug)- meinst Du das? Gibt es davon nicht genug Plätze? Das ist hier bei uns auf dem Land Gott sei Dank kein Problem...

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    2. Ja, das ist dann wohl das Gleiche. Hier heisst es Offene Ganztags Schule, also OGS. Und dafür das wir hier auch auf den Land wohnen, gibt es hier echte Knappheit.

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    3. Das ist aber echt doof. Da drücke ich natürlich fest die Daumen für´s Los!!!!

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  2. Ach, ich hab ganz verpasst, dass du wieder im Lande bist!

    Welcome back Mydear ;-)

    Ich würde die ganz normale Grundschule nehmen, da hat er es erst mal aufgrund der schon vorhandenen Sozialstruktur am einfachsten. Wenn es nicht passt, muss man halt noch mal ran und etwas ändern.

    Wichtigster Punkt: Ruhe bewahren, es gehen noch viele Jahre ins Land bis das Thema abgeschlossen ist.

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  3. Liebes Schwesterlein,

    alle diese fiese Gedanken hatte ich ebenso, ein Jahr bevor J. in die Schule "musste", viel zu früh für mein Empfinden. Und ich hätte zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall ein weiteres Jahr im Kiga befürwortet, wenn das möglich gewesen wäre ... War es aber nicht! Und dann hat der kleine Bursche zwischen dem 5ten und dem 6ten Geburtstag eine solche Entwicklung hingelegt, dass ich nur froh sein konnte, keine Wahl gehabt zu haben!!!!! Grobmotorisch trotzdem immer noch etwas "hinterher" und nach wie vor eher vorsichtig und zurückhaltend ist er dann drei Tage nach seinem Geburttag stolz und aufgeregt in die Schule marschiert.
    Er hat das gut geschafft und L. wird das ebenfalls hinkriegen!!!!!!!! Unsere Jungs sind nämlich neben ihren motorischen Unzulänglichkeiten und ihrer behutsamen Wesensart ganz tapfere Kerlchen, die die Herausforderungen annehmen und echt mannhaft bewältigen. Manchmal mit Mühe und unter Tränen und mit vielen tröstenden und erklärenden Gesprächen abends am Bett... Aber eben doch: Weiche Schale, echt zäher Kern!!!!
    Und außerdem nur so aus Erfahrung: Die allermeisten Grundschullehrerinnen sind nette Personen, die die Kleinen liebevoll begleiten (Gruselige Außnahmen gibt es, ja, aber wenn ihr wirklich das Riesenpech haben solltet auf so eine "Knüppelkuh" zu treffen, gibt es immer noch Wege und Möglichkeiten, dem zu entrinnen...!!!)
    Das wird schon!!!
    Kuss, die Schwester

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    1. Du hast natürlich Recht. !!! Hätte eigentlich auch mal direkt mit Dir telefonieren können.... Kuss zurück, aus "der Feeerne"

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